Biodiversität: Mit extensiver Dachbegrünung zu besserem Klima
Dachbegrünungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Auswirkungen des Klimawandels in Städten und Gemeinden. Sie fördern die Biodiversität, verbessern das Mikroklima, reduzieren Luftschadstoffe und vermindern Geräuschemissionen. Zudem entlasten sie bei starken Niederschlägen die Kanalisation. Voraussetzung dazu ist ein passendes Bepflanzungskonzept und die fachgerechte Umsetzung mit geeigneten Komponenten.
Jahr für Jahr zeigt sich der Klimawandel von seiner extremen Seite: Überschwemmungen durch schmelzende Gletscher oder Starkregenfälle häufen sich und heftige Hitzewellen tragen zum exponentiellen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur bei. Der Expertenbericht der Europäischen Umweltagentur EUA «Klimawandel, Auswirkungen und Gefährdung in Europa»¹ zeigt auf, dass der Klimawandel in Europa die Biodiversität, die Gesellschaft und die Gesundheit des Menschen weitreichend und nachteilig beeinflusst.
Klimawandel: Herausforderungen in Städten
Belastung durch Feinstaub
Luftschadstoffe wie der vom motorisierten Verkehr und von fossilen Brennstoffen stammende Feinstaub tragen wesentlich zum Klimawandel bei. Der in diesen Mikropartikeln enthaltene schädliche schwarze Kohlenstoff ist das Ergebnis unvollständiger Verbrennung von Brennstoffen. Dieser Kohlenstoff absorbiert die Sonneneinstrahlung in der Atmosphäre und trägt so wesentlich zur Klimaerwärmung bei. Im Gegensatz zu den organischen Grünflächen in ländlicheren Gebieten, können in Städten die vielen harten Oberflächen an Gebäuden und die versiegelten Strassenbeläge die Mikropartikel nicht binden und filtern. Dies ist mit ein Grund für die höhere Schadstoffbelastung der Stadtluft. Die winzigen Feinstaubpartikel haben zudem gravierende und direkte Konsequenzen für die Gesundheit des Menschen. Sie sind nur wenige Mikrometer gross, dringen dadurch tief in die feinsten Verästelungen der Lunge ein und gelangen so zum Teil auch in die Lymph- und Blutbahnen.
Städtische Wärmeinseln
In grösseren Gemeinden und Städten macht sich die Klimaerwärmung zusätzlich durch den städtischen Wärmeinseleffekt (Urban Heat Island Effect) bemerkbar. Dieser Effekt entsteht in stärker bebauten Zonen, bei denen die Zufuhr von frischer und kühlender Luft durch zahlreiche Windströmungshindernisse (Gebäude) eingeschränkt ist. Hinzu kommt, dass sich Gebäude mit Dach- und Fassadenflächen aus Beton, Glas oder Verputz tagsüber aufheizen und die Wärme an die innenliegenden Räume übertragen. Bei Dunkelheit geben sie die Wärme wieder ab – deswegen ist es in Städten nachts besonders warm und die Temperaturunterschiede zu nicht bebauten Gebieten betragen bis zu 10°C.
Abnehmende Biodiversität
Eine hohe Biodiversität mit ihren zahlreichen Ökosystemen hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen³. Doch durch den Klimawandel verändern einheimische Tier- und Pflanzenarten ihren Lebenszyklus, indem sie nach Norden oder in höhere Lagen abwandern. In der Folge nimmt die regionale Biodiversität mit ihrer Artenvielfalt in Flora und Fauna ab. Damit verlieren diese Ökosysteme ihre Fähigkeit, einen Beitrag zur Gesundheit der Menschen zu leisten. Dies ist einer der Gründe, weshalb die UNO in ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals SDG) auch den Erhalt der Biodiversität aufführt.
Vorteile von Dachbegrünungen gegenüber konventionellen Dächern
Dachflächen nehmen einen hohen Anteil der Stadtfläche ein. Gleichzeitig haben Dächer ein hohes Potenzial, um die Auswirkungen des Klimawandels mess- und spürbar abzumildern. Zahlreiche Städte und Gemeinden haben deshalb stadtplanerische Massnahmen ergriffen und reagieren mit der Begrünung von Dächern auf die belastende Klimaentwicklung.
Die Begrünung von Dächern bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber konventionell gestalteten Gebäudeoberflächen² . Im Vordergrund stehen insbesondere die lokalklimatischen Funktionen, die Lebensraumfunktion als Biotop für Flora und Fauna sowie die Aufwertung des Stadt- oder Ortsbilds. Dächer mit Begrünung speichern Regenwasser, erzeugen Sauerstoff und heizen sich auch bei Extremtemperaturen nur in geringem Mass auf. An ungestörter Lage können sich wilde Pflanzen- und Tierarten ansiedeln und geben der Natur in Siedlungszonen eine neue Chance⁵. Die Nutzung von Dächern als Grünflächen stellt eine ökologische Qualität und einen Ausgleichsbeitrag bei Bauvorhaben dar. Daraus ergeben sich zahlreiche Vorteile:
- Erhalt oder Ausbau von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen
- Temperaturregulierung und mikroklimatische Ausgleichsfunktion
- Optimale Regenwasserbewirtschaftung durch Regenwasserspeicherung mit Abflussverzögerung und Verdunstung
- Bindung von Luftschadstoffen
- Erhöhter Schallschutz
- Schutz der Dachabdichtung und damit verlängerte Lebensdauer der Dächer
- Verbesserte thermische Isolation von Überdachungen und Gebäuden
- Aufwertung des Orts- und Stadtbilds, von Wohnsiedlungen und Verwaltungsgebäuden bei einsehbaren Dachflächen
- Geringere Kosten für Sanierung, Energie und Abwasser
Extensive Dachbegrünungen
Extensiv begrünte Dächer sind meist einschichtig mit einer relativ geringen Aufbauhöhe und einer eher flachen Substrattiefe von bis zu 15 cm ausgestattet. Extensive Begrünungen lassen sich damit auch auf Dächern mit geringer Traglast verwenden, wie etwa auf Velounterständen oder Personenunterständen, Carports oder Garagen. Die maximale Dachlast liegt bei 80 bis 230 kg/m². Der geringe Substratauftrag erfordert eine trockenresistente Vegetation. Solche extensive Dachbegrünungen wie sie etwa Velopa anbietet, bestehen aus anspruchslosem und pflegeleichtem extensivem Niedrigbewuchs wie Sedumpflanzen, Wildblumen oder Kräutermischungen.
Im Gegensatz zu Intensivbegrünungen erfordern extensive Dachbegrünungen keinen dauerhaften Pflegeaufwand, da sie sich selbst regenerieren – ausser in den ersten drei Wochen ist keine weitere Bewässerung notwendig. Auch eine Düngung ist nicht zwingend erforderlich. Solche Gründächer überdauern sowohl trockene als auch regenreiche Perioden problemlos und sind äusserst resistent gegen extreme und wechselnde Witterungsbedingungen. Der spezielle Dachaufbau mit wärmedämmendem Untergrund aus Recyclingplatten schützt diese Begrünungen anhaltend gegen Frost. Extensive Dachbegrünungen zeichnen sich durch ihren sehr geringen Pflegeaufwand und tiefen Beschaffungs- sowie Unterhaltskosten gegenüber intensiv begrünten Dächern aus.
Wirkungen von Dachbegrüngen auf das Stadtklima
Dachbegrünung als Lebensraum für Tiere
Ein für die Tierwelt angelegtes Gründach fördert die Biodiversität in urbanen Zonen. Damit ein extensiv begrüntes Dach die ideale Grundlage für eine artenreiche Biodiversität bietet, sind einige Vorkehrungen zu treffen. So ist auf den richtigen Pflanzenmix und eine genügende Anzahl von Blüten zu achten, um wertvolle Fluginsekten wie Schmetterlinge und Bienen anzuziehen. Auf diese Weise bietet das Gründach für zahlreiche Tiergattungen ein ideales Biotop im städtischen Lebensraum:
- Laufkäfer
- Spinnen
- Ameisen
- Wildbienen
- Schmetterlinge
- Heuschrecken
- Vögel
Dachbegrünung als Lebensraum für Pflanzen
Neben dem Dachaufbau bestehend aus Dämmung und Substrat ist die eingesetzte Pflanzenwelt auf dem Gebäude das Fundament einer wirkungsvollen Gebäudebegrünung. Die auszuwählenden Pflanzen sind abhängig von der zur Verfügung stehenden Höhe des Substrats und seiner Beschaffenheit – dieses soll eine hohe Nährstoff- und Wasserspeicherkapazität gewährleisten und gleichzeitig eine gute Wasserdurchlässigkeit bieten. So enthalten ideale Substrate eine ausgewogene Mischung von mineralischen und organischen Stoffen wie Lava, Bims, Blähton oder Rindenhumus. Pflanzen auf extensiv begrünten Dächern kommen meist mit wenigen Zentimetern Substratstärke aus.
Flora auf extensiv begrünten Dächern
Auf Dächern mit extensiver Begrünung bewähren sich in erster Linie Sedumarten. Diese ganzjährigen Dickblattgewächse sind niedrigwachsend und gleichen in ihrer Gesamtheit einem Pflanzenteppich. Dank ihrer hohen Wasserspeicherkapazität und ihrem geringen Nährstoffbedarf sind sie anspruchslos und pflegeleicht. Sie überstehen problemlos auch längere Trocken- oder Kälteperioden. Da Sedumarten nur eine geringe Wurzelentwicklung haben, ist nur wenig Substrattiefe notwendig. Sie eignen sich daher insbesondere auch für Dächer mit geringer Belastbarkeit, wie etwa Velounterstände, Personenunterstände, Gartenhäuser, Parkgaragen oder Carports. Bei der Auswahl der Saatmischung ist darauf zu achten, dass sich diese für die extensive Dachbegrünung eignet. Zu bevorzugen sind regionaltypische Wildpflanzen, da diese in der jeweiligen Klimazone den idealen Lebensraum vorfinden. Für Schweizer Klimaverhältnisse eignen sich Sedummischungen, Kräuter-Sedummischungen oder Wildblumen-Sedummischungen, die eine anziehende Wirkung auf einheimische Insekten haben.
Temperaturregulierung und kühlender Effekt
In Städten oder grösseren Gemeinden führt die verdichtete Bebauung und die hohe Anzahl an versiegelten Flächen (Strassen, Plätze, Dächer) zu weniger Frischluftschneisen und höherer Wärmeabgabe durch die Gebäudefassaden. So entsteht eine höhere Wärmebelastung als in ländlichen Gebieten. Dachbegrünungen verbessern diese mikroklimatischen Voraussetzungen in Städten sowohl tagsüber als auch nachts. So zeigen Studien, dass begrünte Dächer eine deutlich kühlere Dachoberfläche im Vergleich zu einem mit Bitumen, Kies, Blech, Dachsteinen oder Ziegeln gedeckten Dach aufweisen. Gleichzeitig fördern sie die Evapotranspiration⁶ (Wasserabgabe durch die Pflanzen). Zudem beschatten die einzelnen Pflanzenteile und die darunterliegende Erde die Dachhaut, was der Hitzeabschirmung dient.
Messungen² zeigen, dass Sonneneinstrahlung in den Hochsommermonaten die Temperatur der Dachhaut eines Bitumendachs auf über 70°C erhitzt. Bei einer extensiven Dachbegrünung mit 15 mm Substratauflage ist eine vergleichsweise tiefe Temperatur von meistens lediglich 25°C messbar.
Regenwasserrückhalt
Einhergehend mit dem Klimawandel nimmt die Anzahl der Unwetter mit Starkregen signifikant zu⁷. Besonders städtische Gebiete mit ihren hohen Anteilen an harten, nichtorganischen Flächen kennen die zeitweilige Überforderung der Entwässerungssysteme bei heftigen und andauernden Regenfällen. Das durch die Gründächer zurückgehaltene und verzögert abgegebene Regenwasser (Regenwasserretention) entlastet die Kanalisation erheblich. So liegt der Wasserrückhalt eines extensiven Gründachs bei 50 bis 60% des Niederschlags⁸.
Bindung von Luftschadstoffen
Pflanzen und Blätter von Gründächern binden und reduzieren den für Menschen lebensgefährlichen Feinstaub. Die Partikel setzen sich an den Blättern der Pflanzen auf den Dachbegrünungen fest und bleiben dort haften, bis sie der Regen abwäscht und anschliessend im Substrat die Filterung erfolgt – so lässt sich der Feinstaub in der Luft markant reduzieren. Sedumpflanzen können bis zu 10 Gramm Feinstaubpartikel mit 10 Mikrometer Durchmesser (PM10) pro m² und Jahr aufnehmen. Neben den Feinstaubpartikeln reduzieren die Dachpflanzen auch Schwefeldioxid (SO₂), Stickstoffdioxid (NO₂) und Ozon
(O₃).
Lärmminderung
Gründächer weisen eine höhere Schwingungsträgheit als unbegrünte Dächer auf. Zusammen mit dem aufgebrachten Substrat und der Bepflanzung absorbieren Gründächer den Strassenverkehrslärm erheblich. Eine weitere Studie⁹ verglich die Schalldämmeigenschaften eines unbegrünten mit einem begrünten Dach. Die Messungen im Inneren der Gebäude ergaben eine Lärmreduktion beim herkömmlichen Dach um 33 dB, beim Gründach um 41 dB bis 51 dB.
Fazit
Dachbegrünungen sind ein wirksamer Bestandteil einer urbanen grünen Infrastruktur, um den klimabedingten Herausforderungen in Städten und Gemeinden zu begegnen. Eine extensive Dachbegrünung leistet bei korrekter Ausgestaltung einen deutlichen wahrnehmbaren Beitrag zur Verbesserung des Lokalklimas, zur Regenwasserrückhaltung, zur Bindung von Luftschadstoffen und zur Lärmminderung. Zudem fördert sie die Biodiversität in städtischen Räumen und ist ein wichtiger Faktor für die nachhaltige Stadtentwicklung – besonders auch in hochverdichteten Umgebungen.
Quellen:
¹ European Environment Agency EEA: Climate change, impacts and vulnerability in Europe 2016
² Dr.-Ing. Sebastian Schmauck, Bundesamt für Naturschutz, Leipzig
³ Sandifer, Sutton-Grier, Ward: Opportunities to enhance health and biodiversity conservation
⁴ Prof. Dr. Wilhelm Kuttler, Stadtökologie: ein Fachbuch für Studium und Praxis
⁵ Stadt Zürich, Tiefbau- und Entsorgungsdepartement
⁶ Kyle Liu, Taipei University of Techonlogy, Bas Baskaran: Thermal performance of green roofs through field evaluation
⁷ Climate Service Center 2012
⁸ Prof. Dr. Hans-Joachim Liesecke, Universität Hannover
⁹ Gary Grant, Luke Engleback, Barry Nicholson: Green Roofs – Status and potential for conserving biodiversity in urban areas
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